"Facility Management ist der Schlüssel zur Dekarbonisierung von Gebäuden"

25.11.2025
Direktionsleiter Tobias Hamberger im Anzug vor einer Glaswand © STRABAG PFS
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Tobias Hamberger ist Direktionsleiter unserer Direktion Key Accounts Deutschland. Im Interview mit Immobilien & Finanzierung spricht er über aktuelle Herausforderungen und Chancen im Facility Management und warum diese für uns untrennbar mit der technischen Gebäudeausrüstung verbunden sind.


Herr Hamberger, was versteht man heute unter Facility Management – und wie unterscheidet es sich vom Property Management?
In der Vergangenheit wurde Facility Management (FM) oft auf Reinigung und Hausmeisterdienste reduziert. Dies hat allerdings mit der heutigen Realität wenig zu tun. Heute sprechen wir über hochkomplexe technische Anlagen in Gebäuden, über die Einhaltung der Betreiberverantwortung, vorausschauende Wartung, Energieeffizienz, Nutzerkomfort und Werterhalt. FM sorgt dafür, dass nicht nur gewerbliche Immobilien, Produktionsstätten, Rechenzentren, Kraftwerke oder Telekommunikationsinfrastruktur energieeffizient, rechtskonform und wirtschaftlich betrieben werden. Dazu zählen auch Themen wie das Begleiten von Zertifizierungen, das Durchführen von notwendigen Audits und im Speziellen die Einhaltung von immobilienspezifischen BaFin-Vorgaben im Bankensektor. Das Property Management konzentriert sich unter anderem auf kaufmännische Verantwortlichkeiten wie Mietvertragsmanagement, Objektbuchhaltung oder das Erstellen von Nebenkostenabrechnungen, was auch dem kaufmännischen Facility Management zugeordnet werden kann. Letzten Endes verbleibt die Steuerung des Immobilienportfolios beim Property Management, dessen Begriff sich für diese Aufgaben bei institutionellen Kunden durchgesetzt hat.
 
Welche Trends werden die Branche in den nächsten Jahren prägen?
Ganz klar: Die Dekarbonisierung und die Digitalisierung sind die größten Treiber. Nur wenn wir Gebäude digitalisieren, können wir deren Energieverbrauch erfassen, analysieren und nachhaltig senken. Mit steigenden CO2-Steuern wächst der Druck, Bestände zu dekarbonisieren, um Wertverluste zu vermeiden. Immobilien mit hohem CO2-Footprint sind teurer im Betrieb, schwerer vermietbar und können zu „stranded assets“ werden. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen. Ein Beispiel: Die BaFin schreibt für Banken mit eigenen Rechenzentren ein Business Continuity Management (BCM) beziehungsweise mittlerweile das IKT-Geschäftsfortführungsmanagement vor, um den Betrieb im Krisenfall – etwa bei Cyberangriffen, technischen Störungen oder Personalausfällen – sicherzustellen. Das sind klassische Aufgaben des technischen Facility Managements, für die wir Notfallpläne entwickeln, die regelmäßig in Stresstests auf die Probe gestellt werden. Durch die zunehmenden Abhängigkeiten zwischen Gebäudetechnik, Betriebssicherheit und energieoptimiertem Management verzeichnen wir eine steigende Nachfrage nach integrierten Services im infrastrukturellen und technischen Facility Management sowie im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung.
 
Wie wirkt sich dieser Wandel auf den Wettbewerb aus?
Der Markt ist in Bewegung. Internationale Investoren und Private-Equity-Gesellschaften drängen hinein. Neuverträge werden oft zu knapp kalkuliert und decken wesentliche Leistungen nicht ab. Das führt zu Qualitätsverlusten und einem schlechten Ruf der FM-Branche. Wir setzen daher bewusst auf eine datenbasierte Herangehensweise, um realistische und belastbare Angebote zu erstellen. Eine solide Analyse der Gebäudestruktur und der technischen Anlagen ist dabei die Grundlage für belastbare Angebote und eine nachhaltige Bewirtschaftung, was mit unserem Qualitätsversprechen als Unternehmen einhergeht.
 
STRABAG PFS hat zuletzt mehrere Unternehmen im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung übernommen. Welche Strategie steckt dahinter?
Wir verstehen uns als One-Stop-Shop für Gebäudedienstleistungen. Das heißt: Facility Management und technische Gebäudeausrüstung gehören für uns untrennbar zusammen. Nur wer Gebäude ganzheitlich versteht, kann sie effizient betreiben und optimieren. Die Integration der TGA-Kompetenz ermöglicht es uns, Anlagen nicht nur zu warten, sondern auch zu modernisieren und in Betrieb zu nehmen. So können wir Lösungen für Gebäude aus einer Hand bieten: von der Planung bis zum laufenden Betrieb. Zukäufe von TGA-Unternehmen ermöglichen uns einen schnellen und flächendeckenden Ausbau dieser Kompetenz in den Ländern, in denen STRABAG PFS aktiv ist. In Deutschland ebenso wie in Österreich, Polen, der Slowakei, Tschechien oder Luxemburg. Unsere Kunden profitieren dadurch von kurzen Entscheidungswegen und ganzheitlichen Lösungen.
 
Wie gelingt die Integration der Teilbereiche IFM, TFM und der TGA-Leistungen im Alltag?
Dafür haben wir 2019 unsere Digital Service-Platform – kurz DSP – eingeführt. Sie bildet sämtliche operativen Prozesse im Facility Management und Property Management digital ab. Von der Angebotserstellung über die Auftragssteuerung, die digitale Leistungsrückmeldung und -dokumentation bis zur Rechnungsvorbereitung. Die Plattform basiert auf Microsoft Dynamics und kann direkt an die diversen Kundensysteme angebunden werden. Kunden können dort cloudbasiert in Echtzeit Verbrauchsdaten, Wartungspläne, Anlagenübersichten oder Dokumente abrufen. Daten, die sie selbst meist nicht in einem System integriert abbilden können oder teils gar nicht haben. Die DSP ist also ein echter Mehrwert für unsere Kunden, insbesondere für das ESG-Reporting. Zudem lässt sich zusätzliche Software, beispielsweise im Bereich der Anlagentechnik, problemlos integrieren.
 
Welchen Stellenwert hat Eigenleistung bei Ihren Kunden – also Leistungen, die nicht ausgelagert sind, sondern intern erbracht werden?
Ein hoher Eigenleistungsanteil hat für uns Priorität, besonders bei TGA-Leistungen. So sichern wir schnelle Reaktionszeiten, einheitliche Qualität und die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte. Viele Auftraggeber verlangen heute hohe Eigenleistungsquoten ausdrücklich in deren Ausschreibungen. Durch unsere Zukäufe können wir diesem Anspruch weiter gerecht werden und unseren Kunden Leistungen aus einer Hand bieten, ohne Margen externer Partner aufschlagen zu müssen.


STRABAG PFS ist in mehreren Ländern aktiv. Wo liegen hier die Herausforderungen?
Jedes Land hat eigene regulatorische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. In Deutschland arbeiten wir stark mit institutionellen Investoren, Großindustrie und Banken, in Österreich mehr mit mittelständischen Eigentümern. In Osteuropa ist die Bewirtschaftung von Gebäuden und großen Portfolios häufig regionaler organisiert. Wichtig ist, dass wir unser Knowhow standortübergreifend vernetzen. Darum ist es auch unerlässlich, in den Ländern lokal organisiert zu sein und gleichzeitig unseren länderübergreifenden Qualitätsanspruch sicherzustellen.


Wie gehen Sie mit dem wachsenden Anspruch der Kunden an Flexibilität, Reaktionsgeschwindigkeit und Individualisierung um?
Reaktionsgeschwindigkeit ist ein zentrales Qualitätsmerkmal im Facility Management. Wir haben dafür eigene Störmeldezentralen – unsere STRABAG Operation Center – eingerichtet, die rund um die Uhr erreichbar sind und Störungen unmittelbar koordinieren. So können wir kurzfristig reagieren und Ausfälle reduzieren.
Darüber hinaus erwarten institutionelle Kunden heute mehr Flexibilität bei Vertrags- und Portfoliostrukturen. Ein Fonds kann sich verändern, Immobilien werden verkauft, hinzugekauft oder neu bewertet. Unsere Verträge sind so gestaltet, dass sie „mitatmen“ können. Wir passen Personal und Leistungspakete dynamisch an, ohne jedes Mal neue Vertragswerke aufsetzen zu müssen. Das spart Zeit und erhält die Betriebssicherheit. Grundlage dafür ist immer eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Kunden.
 
Stichwort Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielt das Facility Management bei der Dekarbonisierung?
Eine entscheidende. Wir haben uns als Dekarbonisierungs-Generalunternehmer (GU) positioniert. Das bedeutet: Wir schaffen Transparenz über den CO2-Verbrauch der Immobilie, reduzieren Energieverbräuche datenbasiert, tauschen veraltete Technik aus und optimieren Gebäudehüllen und den Anlagenbetrieb, um den CO2-Footprint zu minimieren oder auch die Klimaneutralität zu erreichen. Mit unserem eco2solutions-Portfolio und dem eco2state navigator können wir Verbrauchsdaten erfassen, per KI analysieren und konkrete Maßnahmen zur Emissionsreduktion ableiten. Institutionelle Kunden sehen sofort, welche Schritte den größten Effekt bringen, und können ihre ESG-Ziele nachweisbar erreichen.


Und welche Herausforderungen entstehen bei der Digitalisierung älterer Gebäudebestände?
Wie eben angesprochen können Energieverbräuche nur effizient gesenkt werden, wenn dies datenbasiert geschieht. Viele Bestandsgebäude verfügen jedoch über keine durchgängige Gebäudeleittechnik oder über eine Signalisierung. Die Voraussetzung, um Verbrauchsdaten automatisiert zu erfassen und Gebäude digital zu steuern. Hier setzen wir auf pragmatische Lösungen, etwa durch den gezielten Einbau von Sensorik, welche die wichtigsten Betriebsdaten wie Temperatur, Feuchtigkeit, CO2 oder Energieverbrauch misst. So können auch ältere Objekte digital ertüchtigt werden. Das ist ein schneller und kosteneffizienter Weg, um den Gebäudebetrieb zu optimieren und erste Schritte Richtung datenbasiertes Energiemanagement zu gehen.


Die Branche wird zunehmend technischer und datengetriebener. Welche Risiken sehen Sie in dieser Entwicklung?
Cybersecurity ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Gerade im Finanzsektor, mit seinen sensiblen Daten und Systemen, ist die Sicherheit der technischen Infrastruktur entscheidend. Viele Institute möchten daher keine externen Zugriffe auf ihre Gebäudetechnik zulassen. Jede zusätzliche Schnittstelle bedeutet potenziell eine Angriffsfläche. Wir reagieren darauf, indem wir spezialisierte MSR-Techniker direkt beim Kunden einsetzen, die über die notwendige Qualifikation verfügen, um gebäudetechnische Anlagen und Rechenzentren sicher zu betreuen. Gleichzeitig unterstützen wir unsere Kunden beim Ausbau und der Absicherung ihrer Meldesysteme. Der Ausfall der Gebäudeleittechnik kann enorme wirtschaftliche Schäden verursachen. Deshalb appellieren wir besonders an die Eigentümer der kritischen Infrastruktur, ihre Systeme regelmäßig auf Störanfälligkeiten zu prüfen und zu modernisieren. Cybersecurity ist kein Randthema, sondern Teil der Betriebssicherheit.


Was wünschen Sie sich von dem FM-Markt, der Politik und den Regulatoren?
Vor allem Klarheit und Einheitlichkeit. Unterschiedliche ESG-Zertifizierungen, nationale Vorgaben und unklare Definitionen – etwa in der EU-Taxonomie – erschweren Investoren und Betreibern die Planung. Unterschiedliche Zertifizierungssysteme führen dazu, dass selbst Fachleute oft nicht mehr wissen, was konkret einzuhalten ist. Einheitliche Standards würden Planungssicherheit schaffen.
Darüber hinaus wäre eine gesetzliche Verpflichtung zu offenen Anlagensystemen sinnvoll. In der Gebäudeautomation bieten Netzwerkprotokolle wie BACnet bereits einen Standard zur herstellerübergreifenden Kompatibilität, sind aber nicht für alle Hersteller verbindlich. Einige Anbieter setzen bewusst auf geschlossene Systeme, um Wartung und Instandsetzung exklusiv anbieten zu können. Das schadet dem Wettbewerb und verteuert im Störfall die Instandsetzung, offene Schnittstellen wären im Interesse aller. Für Eigentümer, Betreiber und letztlich auch der Nachhaltigkeit.


Wo sehen Sie die größten Chancen der nächsten Jahre?
Die energetische Sanierung des Bestands. Der Gebäudebestand in Europa ist veraltet. 55 Prozent der Gebäude wurden zwischen 1949 und 1990 errichtet. 85 Prozent wurden vor 2011 gebaut. Sie energetisch und digital zu ertüchtigen, ist eine gewaltige, aber lohnende Aufgabe. Denn jedes modernisierte Gebäude spart CO2 und erhält seinen Wert. Für uns heißt das: FM und TGA werden zu zentralen Hebeln der digitalen und nachhaltigen Transformation von Immobilien und sind entscheidend für die Wirtschaftlichkeit des Portfolios.

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